Beschlüsse der Jugend- und Familienministerkonferenz in Potsdam
- Erschienen amLänder wollen Kinder stärken, Familien unterstützen und Fachkräfte für Erziehungsberufe sichern
Klare Signale für eine gesellschaftliche Stärkung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien sendet die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) der Länder aus. Bei ihrer Tagung am 25. und 26. Mai 2023 in Potsdam beschloss sie ein gemeinsames Vorgehen mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei der Fachkräftesicherung für Kitas, Jugendarbeit und stationären Hilfe-Einrichtungen sowie bei der Einführung einer Kindergrundsicherung. Darüber hinaus sprachen sich die Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren der Länder im Leitantrag „MitWirkung“ für eine noch intensivere demokratische Teilhabe von Kindern und Jugendlichen auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – aus.
Steffen Freiberg, Brandenburger Jugendminister: „Die JFMK in Potsdam hat eindeutige Gewinner: Kinder und Jugendliche! Ihre Mitwirkungsrechte und -möglichkeiten wollen Bund und Länder auf allen Ebenen und in allen Bereichen weiter stärken. Außerdem haben wir die Gespräche über die Fachkräftesicherung in Kitas, Jugendclubs, stationären Einrichtungen oder Schulsozialarbeit intensiv fortgesetzt. Die Stärkung aller Erziehungsberufe muss höchste fachpolitische Priorität haben. Familien haben einen Anspruch darauf. Dazu gehört für mich auch, über Ausbildung und weitere Wege in die Berufsfelder neu nachzudenken.“
Ursula Nonnemacher, Brandenburger Familienministerin: „Die geplante Kindergrundsicherung ist ein wichtiges Vorhaben im Kampf gegen Kinderarmut. Sie muss jetzt zügig umgesetzt werden. Es geht darum, eine Leistung zu entwickeln, die das kindliche Existenzminimum bedarfsgerecht abdeckt. Gleichzeitig müssen Unterstützungsangebote vor Ort ausgebaut werden. Entscheidend ist ein einfacher und unbürokratischer Zugang und Leistungen möglichst aus einer Hand. Denn bisher wissen viele Familien in Deutschland nicht, auf welche Sozialleistungen sie tatsächlich Anspruch haben. Der bestehende Leistungsdschungel für Familien ist unübersichtlich und intransparent. Das führt dazu, dass viele die ihnen zustehenden Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen. Das müssen wir ändern. Wichtig ist, dass die Maßnahmen bei den Kindern auch ankommen.“
Lisa Paus, Bundesfamilienministerin: „Ich freue mich sehr, dass die JFMK mit ihrem heutigen Beschluss klargemacht hat, dass sie mit uns gemeinsam auf die Einführung der Kindergrundsicherung hinarbeitet. Die Bundesländer sind wichtige Bündnispartner. Mit der Kindergrundsicherung verfolgen wir drei große Ziele: Arme Kinder besserstellen, verdeckte Armut aufdecken und beheben und das Leben für alle Familien einfacher machen. Mit der Kindergrundsicherung gibt es nur noch eine Leistung für alle Kinder von einer Stelle. Wir holen die Kinder mit der Kindergrundsicherung in die Mitte der Gesellschaft.“
Bayern fordert vom Bund die Verlängerung der Fristen für den Ganztagsausbau (GaFinHG). Dazu Ulrike Scharf, Bayerische Familienstaatsministerin: „Die derzeitigen Fristen aus dem Bundesfamilienministerium sind viel zu knapp! Kommunen und Träger brauchen Planungssicherheit, um die notwendigen Plätze auszubauen. Ich möchte, dass die Bewilligung der Mittel um zwei Jahre bis Ende 2028 verlängert wird! Der Abschluss der Maßnahmen muss bis Ende 2029 möglich sein. Es ist mir wichtig, dass der Ganztagsausbau nicht an falschen Verwaltungsbestimmungen scheitert! Er dient unseren Familien – sie brauchen eine verlässliche Kinderbetreuung! Das ist die familien- und sozialpolitische Verantwortung unserer herausfordernden Zeit, der wir uns im Freistaat bereits aktiv mit dem Ganztagsversprechen stellen. Auch der Bund muss nun konstruktiv mit den Ländern zusammenarbeiten und sich dieser Aufgabe gemeinsam mit allen Akteuren stellen.“
Melanie Schlotzhauer, Hamburger Familiensenatorin: „Im Rahmen der JFMK haben die Bundesländer wichtige Beschlüsse gefasst. Wir brauchen ein sozial gerecht gestaltetes Elterngeld. Die Höhe des Elterngelds muss also die Folgen der Inflation widerspiegeln. Weiterhin setzen wir Länder uns für eine Erhöhung des Basiselterngeldes und eine Anpassung der Mindest- und Höchstbeträge an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex ein. Das Thema Fachkräftemangel haben wir ebenfalls erörtert. Für die Kinder- und Jugendhilfe brauchen wir deutschlandweit mehr qualifiziertes Personal. Deshalb wollen wir hierzu mit der Bundesebene eine Gesamtstrategie entwickeln, um unsere Angebote krisenfest zu machen. Hier ist der Bund gefragt, sich an den entstehenden Kosten zu beteiligen. Wir haben außerdem sehr konstruktiv über das Thema Kindergrundsicherung gesprochen. Die Vereinfachung und Digitalisierung von Verwaltungsverfahren muss hier jetzt schnell Konsens werden, damit wir in die Umsetzung gehen können. Die Einführung der Kindergrundsicherung ist ein familienpolitischer Meilenstein. Ich hoffe, dass der Beschluss der JFMK hier ordentlich Rückenwind gibt.“
Teilhabe von Kindern und Jugendlichen: Mehr Mitwirkung ermöglichen und Verdrossenheit entgegenwirken
Großes Interesse an Politik und Mitgestaltung, aber auch Resignation und Zukunftsängste – das belegen Studien über die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die JFMK spricht sich nachdrücklich für mehr Formen und Formate der Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen aus: Ob in Kindertagesstätten, in Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, in Schulen und vielen weiteren Bereichen: Der Dialog muss intensiver geführt werden. Mitwirkung ist der beste Kinder- und Jugendschutz und beugt Politikverdrossenheit vor. Hier setzt die JFMK mit ihrem Leitthema „MitWirkung“ im Jahr 2023 an. Im Rahmen des „MitWirkungs-Dialogs“ vom 3. bis 5. März 2023 in Potsdam wurden Diversität und Teilhabe, Chancengleichheit, Beteiligungsmöglichkeiten, mentale Gesundheit, Nachhaltigkeit und Mobilität als Themen junger Menschen herausgestellt. Im November findet eine weitere Tagung zum Thema „MitWirkung“ in den Hilfen zur Erziehung unter Beteiligung der Stiftung Großes Waisenhaus zu Potsdam statt. Echte Mitwirkung stärkt das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen, ist unverzichtbar für das soziale Zusammenleben und hat eine fundamentale Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen. Alle 16 Bundesländer haben gemeinsam den Leitantrag „MitWirkung“ auf Initiative von Brandenburg gestellt und beschlossen.
Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung in der Kinder- und Jugendhilfe: Länder und Bund wollen Herausforderung gemeinsam angehen
Die JFMK begrüßt die Initiative des Bundes zu einer Gesamtstrategie „Fachkräfte in Erziehungsberufen“. Erste Aufgabe ist nun die gemeinsame und abgestimmte Anstrengung von Bund und Ländern, um alle Berufsgruppen zu fördern – Erziehung in der Kindertagesbetreuung, in Einrichtungen und Angeboten für Hilfen zur Erziehung sowie in der Jugend- und Sozialarbeit. Zweitens muss über die Ausbildung und die Zugänge zur Ausbildung im Hinblick auf den Erzieherberuf nachgedacht werden. Es gilt wegen der wechselseitigen Anerkennung der Berufsabschlüsse möglichst gemeinsame Wege zu finden.
In den vergangenen Jahren haben Länder und Kommunen bereits über immense Anstrengungen erreicht, dass es heute mehr als 1,1 Millionen Beschäftigte in Erziehungsberufen gibt und erfolgreiche Modelle zum Quer- und Seiteneinstieg existieren. Dennoch kommt ein erheblicher Fachkräftebedarf auf Länder und Kommunen zu. Die geplante Einführung des Ganztag-Betreuungsanspruchs trägt dazu bei. Diesem gilt es, unter allen Umständen gerecht zu werden.
Es ist eine große Herausforderung, Fachkräfte unter attraktiven Arbeits- und Rahmenbedingungen zu halten sowie viele weitere Menschen für die Tätigkeit in diesem Berufsfeld zu begeistern. Die JFMK will dafür auch Gespräche mit der Kultusministerkonferenz (KMK) mit Blick auf die gemeinsame Sitzung am 13. Oktober 2023 führen. Eine neue Gesamtstrategie muss an die bestehenden Länderprogramme anknüpfen sowie Maßnahmen der Kommunen und die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörden (AGJF) berücksichtigen.
Bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen: Kindergrundsicherung einführen
Die Jugend- und Familienministerinnen und -minister sowie -senatorinnen und -senatoren der Länder begrüßen ganz überwiegend die beabsichtigte Einführung der Kindergrundsicherung durch den Bund, also die Zusammenführung des Kindergeldes, des Kinderzuschlags, des Bürgergeldes für Kinder und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets in einer einheitlichen Leistung, die mit der Neudefinition des bedarfsgerechten kindlichen soziokulturellen Existenzminimums verbunden werden soll, sowie perspektivisch die Neugestaltung des Familienleistungsausgleichs. Für ein gutes Aufwachsen brauchen Kinder und Jugendliche eine bedarfsgerechte finanzielle Absicherung ihres Lebensunterhaltes, wobei die Bedarfe umfassend und realitätsbezogen zu ermitteln sind. Der Zugang zur Kindergrundsicherung soll einfach und digital möglich sein, jedoch ohne Pflicht zur digitalen Antragstellung. Die JFMK weist ausdrücklich darauf hin, dass Geldleistungen und qualitativ hochwertige Infrastrukturmaßnahmen aller staatlichen Ebenen einander im Kampf gegen Kinderarmut sowie für flächendeckend gleiche Bildungschancen und gesellschaftliche Teilhabe ergänzen müssen. Denn Kinder, Jugendliche und Familien benötigen beides: ein bedarfsdeckendes Familieneinkommen und eine gute und wohnortnahe Infrastruktur mit geeigneten Angeboten zur Information, Beratung und Unterstützung im direkten Lebensumfeld.
Elterngeld sozial gerecht und partnerschaftlicher gestalten
Einkommensverluste in der Corona-Pandemie und steigende Lebenshaltungskosten belasten vor allem Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen. Die JFMK sieht es als eine zentrale Aufgabe der Familienpolitik an, Familien vor Armut und vor wirtschaftlicher Unsicherheit zu schützen. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren begrüßen die bisherigen Regelungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, um Eltern mit geringem Einkommen in der Phase des Elterngeldbezugs zu unterstützen. Zugleich halten sie eine Ausdehnung der Ersatzrate auf Familien mit mittleren Einkommen für erforderlich – mehr Eltern sollen davon profitieren können. Die JFMK schlägt der Bundesregierung außerdem die Erhöhung der Mindes- und Höchstbeträge, angepasst an die Inflationsrate, vor.
In einem weiteren Beschluss spricht sich die JFMK für eine Stärkung der partnerschaftlichen Aufteilung der Elternzeit aus. Frauen nehmen Elternzeit weiterhin deutlich häufiger und länger in Anspruch als Männer, auch wenn der Väteranteil kontinuierlich gestiegen ist. Die Zahl der Männer mit Elterngeldbezug hatte sich von 2020 zu 2021 um 9.700 oder 2,1 Prozent erhöht. Damit betrug der Väteranteil 2021 25,3 Prozent (2020: 24,8 Prozent, 2015:20,9 Prozent). Um diese Entwicklung zu verstärken und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu fördern, schlägt die JFMK vor, vor allem den Partnerschaftsbonus für Eltern attraktiver zu machen.
Intensivere Beratungen von JFMK und KMK werden vorbereitet
Die Jugend- und Familienministerkonferenz will ihre Kooperation mit der Kultusministerkonferenz (KMK) intensivieren. Wichtige übergreifende Themen können so gemeinsam beraten werden – etwa die frühkindliche Bildung, der Übergang von der Kindertagesbetreuung in die Primarstufe, die Umsetzung des Ganztags-Anspruchs, die Beschulung von Geflüchteten, Integrationshilfen an Schulen für junge Menschen mit einer Behinderung, Schnittstellen zu den Hilfen zur Erziehung und die Ausbildung von Fachkräften für die Kinder- und Jugendhilfe. Eine historisch erstmalige gemeinsame Sitzung von JFMK und KMK wird für den 13. Oktober 2023 in Berlin vorbereitet.
Hintergrund: Jugend- und Familienministerkonferenz
Die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) ist das Arbeitsgremium der für Kinder-, Jugend- und Familienpolitik verantwortlichen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren. Sie berät und beschließt über Angelegenheiten der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Der Vorsitz der JFMK geht in alphabetischer Reihenfolge jeweils zum Jahreswechsel von Land zu Land über. Im Jahr 2023 hat Brandenburg unter Federführung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport den Vorsitz inne.