ESF+-Erfolgsgeschichte: Dank Gründung zu mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt
- Erschienen amFür das ESF+-Projekt ‚Perspektive:Selbstständigkeit‘ unter dem Dach der Potsdamer Social Impact gGmbH berät Anne Flath Menschen mit Behinderungen und unterstützt sie bei ihren Gründungsvorhaben. Im BRANDaktuell-Interview geht die Projektleiterin neben den besonderen Herausforderungen auch auf die Ziele ihres Projekts ein und erklärt, wie insbesondere gründungsinteressierte Menschen mit Behinderungen in Brandenburg mehr gestärkt werden können.
Menschen mit Behinderung sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt immer noch mit Vorurteilen und Barrieren konfrontiert. Dies zeigen auch die folgenden Arbeitsmarktzahlen: 2019 waren knapp 57 Prozent der Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 64 Jahren berufstätig oder suchten nach einer Tätigkeit. Zum Vergleich: Die Erwerbsquote nichtbehinderter Menschen in dieser Altersgruppe betrug knapp 82 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). Eine Existenzgründung bietet daher oft eine Chance, weiter am Arbeitsleben teilzuhaben. Vor allem dann, wenn der selbst geschaffene Arbeitsplatz an die gesundheitlichen Bedürfnisse angepasst werden kann und darüber hinaus die nötige zeitliche Flexibilität bietet.
Können Sie uns etwas über die Aufgaben und Ziele Ihres Projektes berichten?
Mit unserem Projekt 'Perspektive:Selbstständigkeit' haben wir uns das Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg in die berufliche Selbstständigkeit wirksam zu unterstützen. Wir erkennen die Potenziale dieser Zielgruppe und bieten gezielte Informationen, individuelle Beratung und wertvolle Vernetzungsmöglichkeiten. Unser Hauptanliegen ist es, die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben zu steigern und sie dabei zu unterstützen, ihre beruflichen Pläne zu realisieren.
Wir beraten alle Menschen mit Behinderung und gesundheitlichen Einschränkungen in Brandenburg, die den Wunsch haben, sich selbstständig zu machen. Unabhängig von Alter oder persönlichen Lebensumständen bieten wir individuelle Unterstützung. In einer Erstberatung bieten wir Interessierten eine erste Orientierung und Antworten auf ihre Fragen, insbesondere zu behinderungsspezifischen Fördermöglichkeiten im Rahmen der Gründung und den Zugang zu passenden weiterführenden Beratungsangeboten.
Welche Herausforderungen haben insbesondere Menschen mit Behinderung in Brandenburg?
In Brandenburg stehen Menschen mit Behinderung, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen möchten, vor spezifischen Herausforderungen. Eine Studie zur Situation von Gründerinnen und Gründern mit Behinderung hat aufgezeigt, dass diese Hürden nicht nur regional, sondern auch deutschlandweit existieren und sich auf Brandenburg übertragen lassen (Quelle: Institut für empirische Soziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg).
Ein zentrales Problem ist die Informationsbeschaffung: Die benötigten Informationen sind oft über verschiedene Behörden und Organisationen verteilt, was die Zusammenstellung der relevanten Daten für Gründungsinteressierte mit Behinderung zu einer mühsamen Aufgabe macht. Hinzu kommt, dass viele dieser Materialien nicht barrierefrei gestaltet sind, was den Zugang weiter erschwert.
Auch bei den Beratungsangeboten sehen wir Optimierungsbedarf. Viele der Angebote sind nicht auf die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung zugeschnitten. Es mangelt oft an Zeit, geeigneten Räumlichkeiten und teilweise an notwendigem Fachwissen über die besonderen Anforderungen und Belange dieser Zielgruppe. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, das Menschen mit Behinderung ermutigt und bestärkt.
Ein weiteres Problem ist der Mangel an erfahrenen Ansprechpartnerinnen und -partnern für Gründungsfragen in Einrichtungen, die sich generell mit Menschen mit Behinderung beschäftigen. Die berufliche Selbstständigkeit wird oft nicht als Option bzw. als Alternative zu einem Beschäftigungsverhältnis mitgedacht. Dies kann dazu führen, dass Menschen mit Behinderung, die sich für die berufliche Selbstständigkeit interessieren, nicht die notwendige Unterstützung und Ermutigung erhalten. Diese Kombination von Herausforderungen hat die Notwendigkeit, eines flächendeckenden, spezialisierten Unterstützungsangebotes für gründungswillige Menschen mit Behinderung in Brandenburg. Weil dies bisher fehlte, setzten wir mit unserem Projekt 'Perspektive:Selbstständigkeit' genau hier an und versuchen eine Veränderung zu bewirken.
Was muss eine spezifische Gründungsberatung für Menschen mit Behinderung leisten?
Durch eine spezialisierte Gründungsberatung können wir die Situation für Menschen mit Behinderung erheblich verbessern, insbesondere in Brandenburg. Es ist für uns entscheidend, unsere Angebote auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe auszurichten. In unseren Beratungen müssen wir in der Lage sein, die individuellen Auswirkungen der Behinderung offen anzusprechen. Nur so können wir passende Lösungen entwickeln. Dabei sind Feingefühl und der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Ratsuchenden und uns als Beraterinnen und Berater von großer Bedeutung.
Wir legen Wert auf Barrierefreiheit. Dies betrifft beispielsweise die Sprache und Aufbereitung von Informationsmaterialien, unsere Website, Räumlichkeiten sowie Kommunikationshilfen. Zusätzlich zur Gründungsberatung halten wir Vernetzung für wertvoll. Erfahrene Gründerinnen und Gründer mit Behinderung können als Vorbilder dienen und durch ihre Erfahrungen unterstützen.
Darüber hinaus bieten wir digitale Schulungen für Gründungsberaterinnen und -berater als Weiterbildungsmöglichkeit an. Diese Schulungen sind darauf ausgerichtet, die Fähigkeiten und Kenntnisse der Beratenden zu erweitern und sie z. B. mit den behinderungsspezifischen Fördermöglichkeiten für Menschen mit Schwerbehinderung vertraut zu machen.
Können Sie uns ein Fallbeispiel nennen?
Ein inspirierendes Beispiel für den Weg in die Selbstständigkeit ist das unserer Teilnehmerin, die nach ihrer Krebserkrankung vor neue berufliche Herausforderungen gestellt wurde. Vor ihrer Erkrankung war sie in einem Angestelltenverhältnis tätig, doch die Nachwirkungen ihrer Krankheit erforderten längere Pausenzeiten und eine Anpassung ihrer Arbeitsbelastung. Die traditionelle Arbeitswelt konnte ihren veränderten Bedürfnissen nicht gerecht werden. Doch anstatt sich zurückzuziehen, entschied sie sich für einen mutigen Schritt: den Weg in die Selbstständigkeit als freiberufliche Journalistin. Dieser Berufsweg ermöglicht es ihr, selbst zu bestimmen, wann sie arbeitet und welche Aufträge sie annimmt, wodurch sie ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden optimal berücksichtigen kann. Ihr Beispiel zeigt eindrücklich, wie Resilienz und die richtige Unterstützung Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Herausforderungen dabei helfen können, ihre berufliche Neuorientierung zu verwirklichen.
Was ist Ihr Fazit?
Die berufliche Selbstständigkeit bietet Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, ihre individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das ihren Anforderungen gerecht wird. Unser Projekt 'Perspektive:Selbstständigkeit' spielt eine entscheidende Rolle dabei, diese Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen und ihnen die notwendigen Ressourcen und Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Geschichten und Erfahrungen, die wir im Laufe unserer Arbeit gesammelt haben, zeigen, dass mit der richtigen Unterstützung und Entschlossenheit beeindruckende Erfolge erzielt werden können. Wir sind zuversichtlich, dass immer mehr Menschen mit Behinderung den Schritt in die Selbstständigkeit als eine Möglichkeit der Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht ziehen und diesen Schritt auch wagen und damit beruflich erfolgreich sind.
Weitere Informationen und Kontakt zum Team von 'Perspektive:Selbstständigkeit' erhalten Sie:
Richtlinie: Gründen in Brandenburg (GiB) 2022
Finanzierung: Gesamtsumme: 506.845,56 Euro, davon ESF+: 304.107,33 Euro
Titel des Projekts: Perspektive:Selbstständigkeit für Menschen mit Behinderung
Zuwendungsempfangende: Social Impact gGmbH
Durchführungsort: Land Brandenburg
Durchführungszeitraum: 01.01.2023 bis 31.12.2025
Kontakt (Projektleitung): Anne Flath, +49 176 16113510, flath@socialimpact.eu
Über Perspektive:Selbstständigkeit:
Seit Januar 2023 vereint ‚Perspektive:Selbstständigkeit‘ drei Begleitprojekte, die sich an Gründungsinteressierte mit besonderen Bedarfen richtet: Menschen mit Behinderung, (alleinerziehende) Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Die zielgruppenspezifischen Begleitprojekte werden gefördert aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Brandenburg.
Das Kompetenzzentrum unter dem Dach der Social Impact gGmbH bietet neben der Beratung der drei Zielgruppen aber auch Unterstützung für Lotsendienste und Gründungsberatungszentren hinsichtlich relevanter Themen wie z. B. Inklusion, Aufenthaltsrecht oder gendersensible Sprache.